Die Ahnenzeit – Wenn die Tore zur anderen Welt sich öffnen

Mit dem 1. November beginnt im Jahreskreis das Wintervierteljahr – jene Zeit, in der die Kräfte des Lebens sich nach innen wenden. Alles sinkt zurück in den geborgenen Schoß der Erde. Materie löst sich auf und Raum entsteht für das, was jenseits des Sichtbaren wirkt. Die Schleier zwischen den Welten werden dünner und das Tor zur geistigen Ebene öffnet sich.

Unsere indigenen Vorfahren wussten um die Bedeutung dieser Schwellenzeit. Sie spürten, dass in ihr die Präsenz der Ahnen stärker wurde und alles Unsichtbare näher rückte. Aufgrund des starken Wiedergeburtsglaubens pflegten unsere Vorfahren eine lebendige Beziehung zu ihren Ahnen und Ahninnen. So feierten und ehrten sie diese Übergangszeit zu Winterbeginn mit eigenen Ritualen und Bräuchen, um die Verbindung zwischen den Welten zu halten – zwischen Werden und Vergehen, Licht und Dunkel, Leben und Tod. Denn sie kannten keine Trennung zwischen Diesseits und Jenseits, sondern erlebten alles als Teil eines großen, lebendigen Ganzen.

Wenn sich um die Zeit des 1. Novembers die Schleier zur jenseitigen Welt lichten, so wussten unsere indigenen Vorfahren, sind die Seelen der Verstorbenen ihren Familien besonders nah. Dann geht es darum, den Ahnen zu danken, aus deren Leben und Wirken unser eigenes Leben hervorgegangen ist. Gleichzeitig dürfen wir den Segen aus der geistigen Welt, der Ahnenwelt, empfangen.

Zu diesem Zwecke wurden in vorigen Zeiten z. B. Gedecke für die Verstorbenen auf den Tischen bereitgestellt, ebenso wie Speisen und Getränke. Haustüren wurden offen gelassen, in den Stuben wurden Feuer und Kerzen entzündet,  damit die Seelen den Weg ins Haus gut finden konnten. Außerdem wurden Lichter in ausghöhltes Gemüse gesteckt – diese Lichter wurden als geistige Präsenz der Ahnenseelen selbst angesehen. Für den „Flug der Seele“ wurden spezielle Pflanzen bereitgestellt, geräuchert und auch verzehrt, so z.B. Beifußkraut, Bilsenkraut, Engelwurz (Wurzeln) und Knoblauch.

All diese Bräuche drückten ein tiefes Wissen aus: dass das Leben ein Kreislauf ist, dass nichts verloren geht, sondern sich immerwährend verwandelt. Das Gedenken an die Ahnen war deshalb im Ursprung immer eine Feier des Lebens selbst – eine Erinnerung daran, dass wir Teil eines fortwährenden zyklischen Wandels sind.

Wie aus heiliger Verbindung Furcht wurde

Besonders das christlich-dualistische Weltbild hat dazu beigetragen, die geistige Welt in zwei Bereiche zu spalten: den guten Himmel und die böse Hölle.
In der weiteren Folge wurden aus ehrwürdigen Ahnenseelen nur noch die „armen Seelen“. Mythologische Gestalten der Dunkelheit wurden dämonisiert – die Hüterin der Erde wurde zur „Höllengestalt“.

Besonders deutlich zeigt sich diese Umkehrung in der Gestalt der alten Urmutter Holle. Einst war sie Hüterin des Lebens – Seelenführerin, Kinderbringerin, Hüterin des Jahreskreises und der winterlichen Ruhe. In der Dunkelzeit zog sie mit den Seelen über die Lande, brachte Segen in die Häuser und Fruchtbarkeit auf die Felder.

Doch mit der Zeit der Christianisierung wurde dieses ursprüngliche, heilsame Bild verdreht. Aus der segensreichen Urmutter wurde eine gefürchtete Hexe, vor der es sich zu schützen galt. Was zuvor Leben gehütet und hervorgebracht hatte, wurde nun zum Sinnbild des Unheils erklärt. So verlor der Winter seine heilige Tiefe und wurde zu einer Zeit des Schreckens.

Abtrennung von der geistigen Welt

Durch diese Umkehrung schwand mit der Zeit die vertraute Beziehung zur geistigen und seelischen Ebene des Daseins.
Die Menschen fürchteten nun das, was ihnen früher Quelle der Kraft gewesen war. Sie glaubten, sich gegen jene „bösen, bedrohlichen Geister“ schützen zu müssen, die in Wahrheit uralte, zyklische Naturkräfte sowie Seelenverwandte waren.
Mit der wachsender Angst ging mehr und mehr der natürliche Zugang zu den Ahnen verloren. Das, was einst Sinn und Orientierung schenkte: verdrängt und vergessen.

Heute leben wir weitgehend in einer Welt, in der die Dunkelheit kaum noch Raum bekommt. Wir beleuchten jede Nacht, übertönen jede Stille und haben dadurch den natürlichen Rhythmus verloren, der uns einst durch den Jahreslauf trug.
Dadurch hat die Angst vor winterlichen Schreckgestalten zwar wieder etwas an Bedeutung verloren. Doch ignorieren viele Menschen gleichzeitig die geistig-spirituelle Ebene des Lebens komplett. Daraus folgen Gefühle der Sinnlosigkeit, Orientierungslosigkeit, Einsamkeit sowie Zustände der Erschöpfung, Abgetrenntheit und innerer Leere – moderne Symptome einer tiefen Entwurzelung.

Heimkehren in die Verbundenheit

Wir können jederzeit entscheiden, es anders zu machen.
Uns wieder dem natürlichen Rhythmus des Lebens anvertrauen, mitschwingen mit den Kräften, die jede Zeitqualität in sich trägt. Es anders zu machen bedeutet, bewusst aus dem trennenden, wertenden Weltbild auszusteigen – jenem Denken, das uns von der Erde, der geistigen Welt und uns selbst entfremdet hat. Es heißt, wieder heilsame, ursprüngliche Bilder zu nähren, in deren Kraft wir uns innerlich geborgen fühlen können. Bilder, die uns erinnern, dass wir Teil eines großen Ganzen sind, durchdrungen von sichtbaren und unsichtbaren Kräften.
Wenn wir beginnen, solche Räume bewusst zu gestalten und zu beleben – Räume, in denen wir mit den schöpferischen Kräften der Natur, mit der geistigen Welt in Einklang kommen können – dann kann sich etwas wandeln. Dann wird tiefe Verbindung wieder spürbar: zur Erde, zu den Ahnen, zum Wind, zum Wasser, zum Feuer – und zu uns selbst.

Willkommen im Kreis.

Wenn Du die Kraft dieser Verbundenheit nähren und erleben möchtest,
lade ich Dich ein, das Einsinken in die Dunkelzeit bewusst zu begehen –
gerne auch in einem meiner Jahreskreis-Rituale.

Bleib im Kreis verbunden –
mit Terminen und Impulsen.

Ich schreibe Dir, wenn etwas reif ist.

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Über die Autorin

Ich bin Katja – ich begleite Menschen, die sich vom Ruf der Natur leiten lassen und in Wandlungsphasen Halt und Orientierung suchen. Ich arbeite mit dem Lebensrad nach Seghezzi, einer naturzyklischen Landkarte, und unterstütze Dich gerne dabei, Dich tief mit den natürlichen Zyklen und Dir selbst zu verbinden.

Ich biete Jahreskreis-Naturrituale, individuelle Naturrituale und naturmystische Seminare an, die Raum für persönliche Entwicklung und das Erleben von Verbundenheit schaffen.

In meinem Blog teile ich Impulse zu Natur, Lebenszyklen und spiritueller Ausrichtung.

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